KARRIEREFRAU

Ich stelle verwundert meine Kaffeetasse auf den Tisch zurück. Vor mir ausgebreitet meine Tageszeitung. Folgender Artikelauszug aus der AZ Freiamt irritiert mich.

Krippenplätze sind sehr gesucht

›Über den Grund des stetigen Zuwachses sind sich alle einig: Die Gesellschaft befindet sich in einem stetigen Wandel. Es gibt heutzutage viel mehr Ausbildungsmöglichkeiten für Frauen. Auch sie wollen heute oft Berufskarriere machen, um sich einen höheren Lebensstandard leisten zu können.^..

Ich lasse die Zeilen auf mich einwirken. Möchte den ersten Eindruck relativieren. Meine Emotionen mir zuweilen gerne einen Streich spielen. Nein. Diesmal, auch nüchtern betrachtet, die Worte einen eindeutigen Karakter auf mich haben. Das eines Klischees. Ein Rede- und Denkschema, das ohne individuelle Überzeugung vielleicht unbedacht übernommen wurde? Ich bin überrascht, im Zusammenhang unpolitischer Diskussionen, eine Aussage lesen zu müssen, die so leicht negative Bilder vermitteln kann. Weshalb immer nur die Rede von Frauen ist, bleibt mir auch ein Rätsel.

Meine Überlegungen:

1. Die Gesellschaft befindet sich in einem stetigen Wandel. 

Tatsache. Bis dahin nichts einzuwenden. Zum Glück. Hätte keine Lust, mich wie im Mittelalter behaupten zu müssen.

2. Es gibt heutzutage viel mehr Ausbildungsmöglichkeiten für Frauen. 

Hier wird vermutlich sachlich der Umstand hervorgehoben, dass die Mädchen heutzutage gleichwertig behandelt werden. Ist es aber gleichzeitig ein Hinweis darauf, dass überhaupt dieser Tatbestand das eigentliche Problem darstellen könnte? Weil andernorts der Wandel noch nicht stattgefunden hat?

3. Auch sie wollen heute oft Berufskarriere machen, um sich einen höheren Lebensstandard leisten zu können. 

Und hier liegt der Ursprung meiner Irritation. Ist es denn so undenkbar, durch die berufliche Ausübung auch einfach Zufriedenheit und Erfüllung zu erfahren? Ist die Entscheidung, das erlernte Handwerk der Gesellschaft weiterhin zur Verfügung zu stellen, einzig mit höherem Lebensstandard und Karrieremodell gleichzusetzen? Zumal. Warum ist es bei Vätern erlaubt, sich uneingeschränkt der Karriere zu widmen, nur um einen höheren Lebensstandard leisten zu können? Anstelle die Lebensqualität vermehrt in der Familie zu sehen? Was früher vielleicht unabdingbar war, heute anders gehandhabt werden könnte? Wenn gewohnte Schemen und traditionelle Ansichten bloss hinterfragt würden?

Synergien nutzen! Der Wandel der Gesellschaft und der Arbeitswelt heute dem männlichen Geschlecht auch Möglichkeiten eröffnete. Mann müsste nur fähig sein, alt gewohnte Muster durchbrechen zu können und anzuerkennen. Ein, in der Regel 1-3 Tage pro Woche, beanspruchter Krippenplatz auch nichts mit Verantwortungslosigkeit zu tun hat. Wie es als gerne zu verlauten ist. Es deutet eher darauf hin, dass die demografische Entwicklung unserem gängigen Arbeitsmodell vorauseilt. Die vermehrte Akzeptanz auf Teilzeitarbeit bei männlichen Angestellten mitunter ein Lösungsansatz für das Unterangebot an Krippenplätzen sein könnte? Ebenso flexiblere Arbeitszeiten & das Arbeiten von zu Hause aus?

Und zum Schluss. Nicht jede Familie kann auf Großeltern oder engst vertrautem Umfeld zurückgreifen, um die gern politisierte und stigmatisierte Fremdbetreuung zu kaschieren. Es ist an der Zeit, sich auch mal ein paar Gedanken zum Wort ›Karrieremann‹ zu machen. Oder gibt es das gar nicht?

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9 Gedanken zu “KARRIEREFRAU

  1. Hi Nora Dora,

    oftmals ist es die eigene Schere im Kopf, die manch alternative Sicht, bzw. handeln, verhindert. Mir geht es manchmal nicht anders, aber ich arbeite dran… 😉

    Viele denken einfach einfach, in traditionellen Rollen, fühlen sich im alther gebrachten Bahnen sicher, wohl aufgehoben. Sie sind dennoch nicht damit auf der sicheren Seite, denn alles ist im Fluß, im Wandel – stetig, ständig, immerwährend.

    Diese Nuß zu knacken gilt es, nicht eine Gesellschaft zu ändern.

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  2. Hach ja, die Karrieremänner, die bei den „Uns fehlen Kinder“-Debatten nie angeführt warden. Ich kenne viele Karrieremänner, die erst mal keine Kinder wollen. Später. So mit Zweit- oder Drittfrau, wenn sie dann üFü sind 😉

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  3. Ich habe manchmal den Eindruck, dass Fortpflanzung in Deutschland nicht als der natürliche Vorgang gesehen wird, der er eigentlich ist. Da wird über alles Mögliche debattiert, statt man es einfach als biologisch vorgegeben hinnimmt, dass ein Paar eine Familie gründet, und überlegt, wie man in unser Zeit, in der zum Beispiel durch die vielgepriesene Mobilität umfassende Familienstrukturen häufig zerstört sind, sodass sich Familien nicht gegenseitig helfen können, Betreuungsmöglichkeiten schaffen kann. Ich denke da z.B. an vergünstigte Mieten für Kinderkrippen- oder Kita-Räume, um Leute zu Betriebsgründungen zu motivieren.

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  4. Ich glaube, wenn ein Politiker/ eine Politikerin die Karriereleiter so weit hochgeklettert ist, dass er da angekommen ist, wo er Entscheidungsgewalt hat, ist er schon korrumpiert und hat nicht mehr das Beste für sein Volk im Sinn… oder hatte es nie. Wer weiß.

    Von daher verblöblendet vielleicht, aber auch irgendwie alternativlos.

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