Schlaue Füchse oder wilde Tiere?

Gastbeitrag von LEA LOU

Meine Zugfahrt zum Arbeitsort macht mir nichts aus. Frühmorgens ist es ruhig, es hat genügend Platz und die Leute sind in der Zeitung versunken, dösen vor sich hin oder die Eifrigen hauen bereits kräftig in die Tastatur ihres Laptops.

Auf halber Strecke ist es seit kurzem mit der Ruhe vorbei. Ein Vater kommt mit seinem Töchterchen in den Zug. Sie sprechen Englisch miteinander, wobei er einen fürchterlichen schweizerischen Akzent erkennen lässt.  Aus dem Gespräch entnehme ich, dass das Kind seit ein paar Wochen in eine internationale Schule in Zürich fährt, oder besser gesagt, fahren muss. Früh am Morgen, um halb sieben, wo kein anderes städtisches Kind bereits auf dem Schulweg ist. Ich glaube nicht, dass das Mädchen es sich so gewünscht hat. „Aha, übereifrige Eltern“, denke ich mir und mir gehen gleich wieder allerhand Geschichten von superschlauen Kids durch den Kopf. Irgendwann öffnet das Mädchen seine ultramoderne extraleichte und ergonomische Schultasche inklusive Smartphone-Fach, und vielleicht sogar einer extra gepolsterten und abschliessbaren I-Pad-Tasche, sucht sich durch unzählige Mäppchen und Hefte und fischt ein Raschelsäckchen mit einem Butterbrot heraus – wahrscheinlich ist es gar keine Butter, sondern Bio-Diät-Margarine mit extra Vitaminen –und beginnt zu essen. Essen? Essen ist ein anständiges Wort. Das Mädchen isst nicht – es benimmt sich wie ein Tier. Oh mein Gott! Es wird mir fast schlecht. Ich kann dem Kind nicht zusehen und zuhören erst recht nicht. Es schmatzt – es schmatzt fürchterlich und laut, bröselt, schleudert die Brotsamen mit einer Handbewegung weg, bis zum nächsten Reisenden, beisst nochmals kräftig zu und schmatzt weiter. Ich bin entsetzt und es beginnt mich zu würgen, wie grauenvoll das Kind sein Frühstück verzehrt.

Liebe Eltern, wenn Sie schon ein überbegabtes Kind haben, das an einer Privatschule eine elitäre Ausbildung absolvieren kann, dann schauen Sie doch bitte auch, dass seine Manieren ebenfalls so hochdotiert werden wie sein Superbrain.

photo by Ed Gregory

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