Ich habe dich nicht erkannt

Die Bar war in schummrig warmes Licht getaucht. Sanfte Musik umhüllte die Besucher. Eine Woge der Unbeschwertheit erfüllte den Raum. Losgelöst von Sorgen und Kummer. Ganz sich selbst und ihren Bedürfnissen hingebend sassen sie sich in ihren Clubsesseln gegenüber. Vom Alkohol angenehm gelöst, sahen sie sich tief in die Augen. Ein Funkeln, das nur mit Sinnen wahrgenommen werden kann. Die Spannung aufbauend. Prickelnd.

Sie hatte am Tresen einen Drink bestellt. Da gesellte er sich dazu. Ebenfalls eine Bestellung aufgebend. Ein kurzer Moment. Ihre Blicke kreuzten sich. Er entfernte sich wieder. Immer noch am Tresen stehend, umfasste sie ihren Drink. Dieser Augenblick voller Spannung und Interesse hielt an. Im Banne seiner Präsenz, baute sich ein warmes Gefühl in ihrer Bauchgegend auf. Sie war eine Professionelle. Sie wusste, wie damit umzugehen ist. Normalerweise hatte sie die Zügel in den Händen. Ihre blonde Haarpracht fiel ihr sanft über den freigegebenen Rücken. Das schwarze, dezente Abendkleid mit Raffinesse ihre Figur umspielte. Ihre Beine von schwarzen Stilettos in Szene gesetzt. Ihr Auftrag schien nicht aufzutauchen. Sie hatten sich an diesem Tresen verabredet. Seine Stimme angenehm warm.

Sie konnte sich ihre Auftraggeber aussuchen. Sie tat es einfach. Nicht aus Sympathiegründen. Der eigenen Sicherheit bedacht. Aber dieser klang vielversprechend. Etwas, das vielleicht auch ihr behagen konnte. Es waren 20 Minuten über der verabredeten Zeit. Normalerweise wäre es das gewesen. Irgendetwas hielt sie aber noch länger an diesem Ort. Er. Der Unbekannte.

Langsam drehte sie sich um. Einen zweiten Drink in den Händen haltend. Schliesslich erhielt sie unverhofft Freizeit, heute Abend. Ihr Blick schweifte in die Ferne. Die Bar absuchend. In der leisen Hoffnung, ihn zu finden. Ohne aufzufallen. Er holte sie mit seinem Blick ab. Geleitete sie an ihren Tisch. Eine Aufforderung, die nur vom vorgesehenen Empfänger wahrgenommen werden konnte. Sicheren Schrittes näherte sie sich ihm. Die Ecke war gemütlich. Perfekt. Der ganze Raum konnte überblickt werden. Und doch hatte man seine Ruhe. War auf angenehme Art für sich alleine. Sie nahm ihm gegenüber Platz. Erhob das Glas und führte es langsam an ihre Lippen. Sie wandte ihren Blick keinen Augenblick ab. Er fesselte sie. Ebenso. Sie wussten gleichzeitig sich instinktiv zu erheben. Sanft berührte seine Hand ihren unteren Rücken.  Er führte sie hinaus. Aus der Bar. Hinein in den Aufzug.

Mit einem sanften Klingeln die Türen geöffnet wurden. Zur intimen Zweisamkeit. Er näherte sich ihr. Sein Körper sanft den ihrigen berührte. Sie spürte seinen heissen Atem im Nacken. Sekunden voller Höchstspannung und Genuss. Er drückte auf den Knopf. Eine Aktion, die sie in schwindelregende Höhe führen sollte. Er löste sich nicht von ihr. Das Verlangen sich bis zur schieren Unerträglichkeit ausdehnte. In den Sekunden des Schweigens. Bis die Türen wieder aufgingen. Der Flur sie aufnahm. In die Suite führte, die  sie eigentlich gebucht hatte. Für diese Nacht.

Sie hatte ihn nicht erkannt. Ihren Auftraggeber, der irgendwie keiner mehr war.

Wie konnte sie auch. Unter Narkose. Er wusste woher sie kam und wie sie aussah. Oder vermutete ihre Schönheit unter diesem Chaos. Dies war der einzige Weg, wie er an sie gelangen konnte. Ohne offiziellen Auftrag.

Sie hatte ihn nicht erkannt.

 

 

 

Ein Beitrag zum Geschichtengenerator Jutta Reichert: Ich habe dich nicht erkannt.

49 Gedanken zu “Ich habe dich nicht erkannt

  1. Nora….ich habe es jetzt 3x gelesen…..es war so spannend und ich dachte beim 2. Mal , jetzt habe ich es eher raus…nix……3, Mal….aufgegeben…..es ist wirklich grossartig…..mir fehlen die Worte…ich denke dann noch mal nach, dass etwas Niveauvolles dem Text entsprechendes noch durch meine Tastatur kommt ;-)))

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      1. und wie !!!!!aber die Lösung gefiel mir sehr gut….obwohl ich persönlich noch keinem Chirurgen begegnet bin, für den es sich lohnt, sich unters Messer zu begeben, andererseits bin cih auch nicht professionell und damit die ganze Aussage völlig schwachsinnig;-) Hugs back

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      2. Richtig…. ich faende das gut ! Und demnaechst verkauft der Staat noch die Drogen… Und die Kriminalitaet ist erledigt 😉

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      3. aber wir können nicht jede Mal explodieren, nur weil wir uns sehen…..das geht auf Dauer auf die Kondition !;-)

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  2. Diese Geschichte ist sehr spannend geschrieben und ich habe es wirklich genossen, sie zu lesen. Die Erzeugung eines Spannungsbogens hat mir sehr gut gefallen, sodaß ich die Geschichte ganz „verschlungen“ habe, Chapeau! Mit herzlichen Grüßen, Nessy von den happinessygirls

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