Die Beichte

Ein süsslicher aber nicht aufdringlicher Duft lag in der Luft. Ein Gefühl des Schwermutes und gleichzeitiger Geborgenheit sie umgab. Emma und Flo wussten, bald würden sie die letzte Umarmung erhalten. Sie klammernden sich an den letzten Kuss. Den einhergehenden Duft und dieses Gefühl, die Nähe und Wärme sie alsbald vermissen und auf sich allein gestellt sein würden.

Dieses kalte Empfinden der Hilflosigkeit sich einstellt, wenn Mama sich von einem verabschiedet. Nur für ein paar Stunden. Papa geduldig wartet. Ebenso adrett gekleidet. Bereit für einen wohlverdienten gemeinsamen Abend. Einen Abend zu Zweit.

Die Tür fällt ins Schloss. Emma, die Grössere, nimmt die Hand von Flo. Sie schauen sich in die Augen. Die anfängliche Ohnmacht, der Tatsache ausgeliefert zu sein, dass Mama nicht mehr da ist, der Unternehmungslust weichen sollte. Tröstlich weist Emma mit blossen Blicken und Gestik Flo darauf hin, ihr zu folgen. Geheimnisvoll sie zu verstehen gibt, dass sie ihm was zeigen möchte. Unverzüglich sich ein Grinsen auf Flo’s Gesicht breit macht. Schleichend, vorsichtig einen Fuss vor den anderen setzend, sie die Treppe empor steigen. Zum elterlichen Schlafzimmer. Da steht auf dem Nachtisch ein Bonbonglas. Gefüllt mit diesen herrlich rosa Süssigkeiten. Ein Jedes fein bestäubt mit Puderzucker.

Mamas Bonbonglas. Es ist unanständig, sich eigenmächtig Eines zu bedienen. Das darf man nicht. Aber mal kurz daran lecken, um diesen Puderzucker zu kosten. Das verstosst doch nicht gegen die Regeln.  Man bediente sich ja dann nicht eines Bonbons. Sondern legte es brav wieder zurück ins Glas. Dass diese Bonbons augenscheinlich durch den fehlenden Puderzucker auffallen, geschweige denn verkleben, entzieht sich kindlicher Logik. Gar nicht zu erwähnen, dass 1-2 Bonbons weniger bei dieser Fülle nicht bemerkt würden!

Mit voller Wonne wird jedes einzelne Bonbon einmal im Mund gedreht und fein säuberlich wieder zurück gelegt. Was für eine Freude! Zufrieden legen sich die Geschwister nach vereinbarter Zeit ein Jeder in sein Bett und schlafen selig ein.

Es vergehen 25 Jahre. Ein gemeinsames Abendessen im Elternhaus. Das Thema fällt auf Bonbons. Im Besonderen auf diese mit feinem Puderzucker umhüllten rosa Dinger, wie im Beitragsbild ersichtlich.

Papa wohlwissend vor 25 Jahren darauf hingewiesen, dass hier die Kinder am Werk waren. Die Zeit und das Sonnenlicht wohl das ihrige dazu beigetragen hätten. So die Mama ihre Kinder mit uneingeschränkter Überzeugung in Schutz genommen. Über all die Jahre.

Bis heute.

 

 

Ein Beitrag zum Geschichtengenerator Jutta Reichert: Heute wird gebeichtet!

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31 Gedanken zu “Die Beichte

  1. Herrliche Geschichte!!!
    Wobei sich dem Zahnarzt-Gehirn nur ein Satz aufdrängt (dafür die ganze Zeit) „Warum hat die Mama ein Glas Bonbons im Schlafzimmer??? Doch nicht etwa nach dem Zähneputzen??? Nein, undenkbar“
    Sorry, man ist eben eng verwoben mit der Berufung und so…😂
    Liebe Grüße
    Nunu

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      1. …so sagen es die Sagen aus der sogenannten guten alten Zeit…

        Aber ob es WIRKLICH einmal so war, DAS wissen nur die Götter.

        Bonjour Nora,
        Liebe Frühlingsgrüße vom Lu

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  2. Ich mag die Art, wie Du den Leser in Deine Welt mitnimmst! IDiese kleine Geschichte, die uns allen irgendwie so vertraut vorkommt und doch Deine individuelle ist… Sie entführt uns an die Geborgenheit unserer Kindheit zurück! Dank ´ Dir dafür! Nur an die Art des Satzbaus, der wohl stilistisch eingesetzt wird, muß ich mich erst noch gewöhnen! Für mich fühlt er sich irgendwie noch falsch an und ich ertappe mich dabei, jeden Satz umzustellen! Aber das Deine Geschichten ausmacht, schließlich! Alles Liebe, Nessy

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  3. Noch gut erinnere ich mich an Kinderzeiten – 50er Jahre !!! – als Süßigkeiten eine absolute Rarität waren. Süßes wurde gereicht in Form von Reisbrei mit Kompott, Pudding, Grießbrei mit Zucker und Zimt. Einzig, wenn die Schwester meiner Oma, Tante Emmy, aus dem fernen, fernen Hamburg zu Besuch kam, förderte sie aus ihrer schicken schwarzen Handtasche eine Tafel Schokolade ans Tageslicht!. Meine Güte, war das ein Fest. Bonbons gab es vielleicht – ich weiß es nicht mehr, aber Kinder von heute können sich wirklich nicht mehr vorstellen, dass es damals Schokolade nur zu Ostern oder Weihnachten gab. Wenn ich mich heute in der Süßigkeitenabteilung umsehe ………. Gute Schokolade liebe ich aber heute noch!
    Danke für diese wunderbare Geschichte, die mich an die süßen Gelüste von früher erinnert hat, die selten befriedigt wurden. LG 🔆Sigrid🔆:

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  4. Ich bin gerade so in Gedanken, was es heute wohl Ähnliches zum Erinnern gäbe…… es war eine wundervolle kleine Erzählung…..ob ein Teenager wohl die Bar verkleinert und dann mit Wasser auffüllt;-)

    Was Deinen Satzbau angeht, Du schreibst ab und zu Nebensätze alleine….ich finde, das klingt apart…..Sprache ist ein künstlerisches Element!! Hugs, Ann

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    1. Die Idee gefällt mir. Die mit der Baar. 😉 Ja, es hat sich irgendwie so entwickelt. Und mir behagt es. Ist einfach irgendwie der Stil, der sich so entwickelt hat. Wird sich sicherlich auch noch weiterentwickeln, verändern. Wie das Leben so allgemein. Wenn es aber nicht ‚lesefreundlich‘ ist, müsste ich vielleicht darauf achten. Mal schauen. Es darf einfach meinen Schreibfluss nicht hemmen. Riesenhugs, Nora

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      1. Superknallerdankeschönfürnichtaufzuhörensozuschreibenundgenausoerleichtertbin;-) Superknuuuuuuuuuuus….

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